17. Januar 2022

„Ich bin unglücklich!“

Im zweiten Winter der Pandemie nehmen Kontaktaufnahmen von Jugendlichen zu.
"Ich bin unglücklich" ist eine der Aussagen, die immer häufiger kommt.
Das macht betroffen und regt an zu überdenken, was wir Erwachsenen tun können.

In meiner Arbeit als Mentalcoach gab es immer schon Zeiten in denen Eltern, Lehrer oder Sporttrainer auffiel, dass es einer Jugendlichen oder einem Jugendlichen nicht gut ging. Ich suche dann das Gespräch und wir versuchen eine Lösung zu finden. Oft sind es Themen wie: Konflikte in der Schule, Arbeitsplatz oder zuhause, oder im Sport: ich bin kein Stammspieler, Trainingsweltmeister oder mein Trainer mag mich nicht.

Die Pandemie hat uns alle beeinflusst. Ich denke nur an das Chaos wer nun eine Maske tragen muss und wer nicht? Wer darf die Garderobe benutzen? Hinzukam, dass jeder noch seine eigene persönliche Meinung kundtun musste. Dies führte ganz sicher nirgends zu einer Stabilität und Klarheit.

Aus einem herzlichen Begrüssen mit Handschlag und in die Augen schauen, wenn wir uns begrüssen, wurde ein aneinander vorbei huschen. Oft wusste ich gar nicht wer sich hinter der Maske verbarg. Und: wir sprechen von 2 Jahren!

Hey wenn jemand zu Beginn der Pandemie 12 Jahre war, dann ist er in den 2 Jahren vielleicht einen Kopf gewachsen, hat eine andere Stimme bekommen und sein Aussehen hat sich sehr verändert. Dies ist eh die Zeit in der Jugendliche dann permanent Druck verspüren: Der Lehrer motzt wegen der Ufzgi, die Mutter wegen der dreckigen Socken, die unter dem Bett liegen, der Trainer will Leistung, der Vater weiss es besser als der Trainer und das alles an einem sehr langen Schul- oder Ausbildungstag. Das oft mit zu wenig Schlaf und dem Bedürfnis sich auf allmöglichen Plattformen mit Gleichaltrigen auszutauschen.

Kannst du dich an diese Zeit erinnern? Weisst du noch was dich beschäftigt hat, welche Sorgen du hattest?

Unsere Jugendlichen erleben dies nun seit 2 Jahren im Chaos der Pandemie. Mit Isolation, Homeschooling, ständigen Terminverschiebungen und dem Masken-Zombietum.

Eigentlich nicht verwunderlich, wenn da die Aussagen kommen: „Ich bin unglücklich!“

Was können wir tun?

Nun ich glaube was wir tun können ist uns zu überlegen wie wir uns gegenüber Jugendlichen verhalten und welche Aussagen wir machen. Ich habe Jugendliche gefragt und hier sind ein paar ihrer Wünsche:

Erwachsene sollen sich bemühen Ordnung in das Chaos zu bringen und nicht täglich neue Regelungen aufstellen

Sätze sagen wie: „Es geht vorbei!“ „Ja es ist jetzt schwierig und wir werden die Probleme lösen“ „Ich glaube an dich!“

Erwachsene sollen sich selber an das halten, was sie ständig schimpfen und sie sollen generell weniger schimpfen

Eltern, Trainer und Lehrerschaft sollen ihren eigenen Frust selber klären und nicht noch mehr Druck auf uns ablassen

Aufhören mit klagen, weinerlich sein, nicht mehr wissen was machen, Opfer sein

Spass! Wir wollen einfach wieder mehr Spass!

Gespräche tun gut. Endlich hört mir jemand zu. Am liebsten Gespräche draussen ohne Maske.

In meinen Gesprächen spüre ich ein grosses Bedürfnis an Stabilität und Konstanz. Hier könnten wir uns bemühen unsere Planungen so sicher wie möglich zu gestalten. Klar müssen auch wir ständig umplanen, aber vielleicht können wir auch einfach mal etwas belassen.

Wir können achtsam mit unseren Aussagen sein. Wir sind ja genau so betroffen und gehen besser oder schlechter mit der Situation um. Unsere Worte und Aussagen prägen unsere Kinder.

Engmaschige Begleitung und Gespräche: Mein Pensum mit Einzelgesprächen ist in der Pandemie ins Unermessliche gestiegen. Manchmal reicht ein Hallo, wie gehts? auf dem Trainigsplatz oder bei der Schule. Ein: Ich sehe dich! Und es interessiert mich wie es dir geht! Bei einer Nachricht „Ich bin unglücklich“ schaue ich, dass ich innert kürzester Zeit ein persönliches Gespräch vereinbaren kann. Hier kann ich aufgleisen um was es geht und wie schlecht es dem Jugendlichen geht. Oft können wir im Gespräch schon etwas klären oder ändern. Oder es braucht einen Austausch mit dem Trainer, Lehrer, Eltern. Ein weiterer Schritt ist die Zusammenarbeit mit dem Sport- oder Hausarzt. Es lohnt sich, dass die Jugendlichen medizinisch gecheckt werden. Häufig stellt sich z.B. ein Eisen- oder Vitamin B12-Mangel heraus, der grossen Einfluss auf die mentale und physische Befindlichkeit haben kann. Anschliessend vereinbare ich mit ihnen Einzelcoachings. Bei schweren Verläufen überweise ich die Jugendlichen an ein adäquates Therapieangebot.

Wie geht es euch mit dem Thema?

Welche Inputs hast du?

 

 

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