29. Januar 2019

„Was machst du an Ostern?“

fragte mich eine Freundin, wegen unseres alljährlichen Oster-Prosecco-Gedöns. Ich antwortete, dass ich dieses Jahr wohl ein paar Tage wegfahre, da ich raus hier müsse. Sie: „Ah das ist gut, da lass ich mir eh in Belgrad Botox spritzen.“

Äh, da habe ich blöd aus der Wäsche geschaut. Hmmm ich hatte nicht bemerkt, dass sie älter geworden ist, mit mir übrigens. Und schon gar nicht, dass sie irgendwie Scheisse aussieht. Finally hatte sie nie ein Wort über Botox und Co verloren.

Ich habe sie ziemlich bekloppt angeschaut und fragte nochmals nach: “Äh was tust du in Belgrad?“ „Ach weisst du hier und hier und vooooorallllem zwischen meinen Augenbrauen, diese voll hässliche Falte lasse ich mir spritzen.“

Zwischen den Augenbrauen? Ajna, dachte ich nur. Das 6. Chakra, die Öffnung zu Seele und Geist. Lahmlegen? Das kann ja heiter werden.

Ich war mal in einem ganz tollen Coaching-Lehrgang mit einer Plastischen Chirurgin. Es faszinierte mich wie sehr sie von ihrem Beruf schwärmte. Sie liebte es ihre Patienten mit allmöglichen Techniken (spritzen, lasern, schnipseln) zu verschönern. Und am Wichtigsten war ihr, dass diese Menschen mit einem schlechten Selbstwert zu ihr kamen und sie meinte, dass die nach der Behandlung dann einen ganz tollen Selbstwert hatten. Natürlich fragte ich sie, warum sie denn am Lehrgang teilnehme. Schwerpunkt war die Wertevermehrung. Sie meinte vielleicht könne es nicht schaden noch ein weiteres Tool zur Wertevermehrung zu kennen.

Zu meiner Freundin sagte ich noch so ein Satz wie: „Weisst du, wenn ich eine harte Zeit hinter mir habe und ich Spuren auf meinem Gesicht sehe, dann fühle ich mich angespornt erst recht in den Spiegel zu schauen und dafür zu sorgen, dass ich die Erlebnisse verarbeite und mich und mein Gesicht wieder dem Schönen im Leben hingebe.“ Meine Freundin erklärte mir mit vorwurfsvollem Gesicht, dass sie im Gegensatz zu mir! bei der Arbeit ständig vor dem Computer sitze. Und das gäbe grauenhafte Falten.

Du voll ok. Ich fragte noch nach Risiken und Schmerzen, die sie mir kurz und knapp erklärte.

Die Ausgangslage bei mir ist so, dass ich mir seit ich ein kleines Mädchen war zum Lebensziel gesetzt habe eine schöne alte Frau zu werden. Darunter verstehe ich einen langen Weg gegangen zu sein und sich mit sich und der Welt zu versöhnen und die Schönheit sich in unzähligen Lachfalten wiederspiegelt. Aber gäll, wer hat schon so ein seltsames Lebensziel!

Ich liebe ausgedehnte Bäder, Masken mit Honig, Kokosöl, Avocado und allmöglichem auf meinem Gesicht, wohltuende Massagen und Pedicure. Ich mag keine Schmerzen, hasse es mich piken zu lassen und es macht mir einfach nur Angst daran zu denken, ich könnte Einstichstellen, Rötungen oder Schwellungen in meinem Gesicht haben. Alles was mit Ärzten, Eingriffen, Spitalaufenthalten und geschweige denn Operationen zu tun hat, ist für mich grauenhaft. Nicht mal meine Kinder wollte ich im Krankenhaus gebären. Da war mir die Stube lieber.

Eine Klientin erklärte mir mal, warum sie einen Termin kurzfristig abgesagt hatte. Sie hätte günstig und kurzfristig nach Belgrad (hei schon wieder….) fliegen können. „Weisst du Frau Jeanine, meine Doktor spritzt mir immer Botox im Gesicht, dann habe ich weniger Kopfschmerzen.“ Die Liebe litt unter grässlichen Migräne-Attacken. Diese hatte sie seitdem ihr Mann regelmässig die Wohnung kurz und klein schlug.

Ich schneide nun seit zwei Tagen Grimassen vor dem Spiegel, ziehe meine Gesichtshaut zurecht und sinniere darüber, ob das alles noch voll ok ist oder nicht.
Da kommt mir ein Ex-Freund in den Sinn. Der hatte ständig an mir rumgemeckert. Ich hatte das zu Beginn gar nicht bemerkt. Du ich liess mich dann total stressen um tiptop im Schuss zu sein. Und je mehr ich mich anstrengte, desto respektloser ging er mit mir um. Rückblickend finde ich es unglaublich, dass ich mir so etwas überhaupt angetan habe (also den Ex-Freund).

So und darauf werde ich mir im Spiegel zu lächeln. Ich bin wertvoll. Ich bin grossartig. Ich bin einzigartig.

Und ich werde über 90 Jahre alt mit ganz vielen Lachfalten. Und wenn ich dann doch irgendwann meine ich brauche eine neue Nase, dann hole ich mir eine.

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