1. Juli 2018

Yoga und ich – 2 – Schmerz

Im März habe ich mein Herzensprojekt „Yogalehrer-Ausbildung“ in die Hände genommen. Nach anfänglichem Stöhnen und Ächzen verlebte ich zeitweise eine Phase der Euphorie. Täglich mehrere Stunden praktizierte ich, übte und lernte viele neue Ansätze kennen.

Während eines Jahres hatte ich kaum Sport getrieben. Der Grund war die schwere Erkrankung und der Tod beider meiner Eltern. Ich war neben meiner Arbeit und meiner Familie viel unterwegs in Krankenhäuser, Reha und zu meinen Eltern nachhause. Mein Körper wurde unbeweglicher und träge. Ich hatte kaum Energie und Antrieb Sport zu machen. Nach jedem Besuch brauchte ich oft stundenlang Zeit für mich alleine. Oft lag ich auf dem Sofa und musste die Dinge setzen lassen. Emotional neige ich in schwierigen Situationen dazu gar nichts mehr zu empfinden. Diese Starre ist eine alte Strategie, die ich mir als Kind zugelegt habe, um in Ausnahmesituationen einfach nur zu funktionieren.

Mein Vater starb im April und ich fragte mich oft, wann ich denn nun endlich etwas empfinde, ausser dieser Schockstarre. Die Zeit meiner täglichen Yoga-Praxis verhalf mir, mir Zeit zu widmen. Ich übte mich im Atmen, in der Körperwahrnehmung und verspürte nach jeder Lektion eine grosse Zufriedenheit. Mein Körper wurde wieder kräftiger und agiler. Als Ende Mai beruflich wieder einiges mehr anfiel war plötzlich viel Yoga zu viel. Wobei das „zu viel“ verschiedene Komponenten hatte: Mitten in einer Pose überkam mich ein tiefes Schluchzen. Dieses tat körperlich schon fast weh. Endlich kam sie, die Trauer, das traurig sein, das Verlassen fühlen. Und darauf folgten Schmerzen, am Knie, am Fuss, das Iliosakralgelenk war blockiert, der Rücken und der Nacken taten weh. Ich hatte den Eindruck, als ob alle alten, schweren Erlebnisse meines Lebens, die sich in meinem Körper eingelagert hatten, endlich raus wollten.

Ich brauchte eine Yoga-Pause. Zur Zeit konsultiere ich regelmässig meinen Osteopathen und gehe in die Massage. Und gebe mich meinen Schmerzen hin. Ich mache wieder stundenlange Spaziergänge in der Natur. Dort mache ich die Yoga-Übungen, von denen ich spontan den Eindruck habe, dass sie mir grad gut tun. Und genau damit hat eine weitere Herausforderung mit diesem Yoga zu tun. Was tut mir gut? Was ist meine Grenze? Ich will gut sein. Doch was tue ich, wenn gut, einfach gut ist und nicht perfekt sein muss? Wie gehe ich damit um mit 20 Jahre jüngeren und topfiten Menschen eine Yoga-Ausbildung zu machen? Wie sieht es mit meiner Komfortzone aus? Dieses Yoga ist manchmal echt ein Tubel und lässt mich nackt dastehen, mit all meinen Lebensthemen. Dankbar bin ich Delia Krattinger. Sie steht mir mit so viele Liebe und Geduld bei, obwohl sie seit Wochen auf meinen Besuch wartet. Die Daten für die Ausbildung habe ich heute eingeschrieben und bald geht der Weg weiter.  Kapitulieren ist nicht.

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