6. Mai 2019

Yoga und ich – 3 – Versöhnung

Seit gestern bin ich Yoga-Lehrerin. Der Weg war hart. Der Prozess war sehr gut. Und ich bin stolz auf mich.

Als meine Mutter im Sterben lag, sass ich stundenlang bei ihr. Ich tat nichts anderes als dazusitzen. Der Raum war Sonnendurchflutet und voller bunter Blumensträusse.

Nachdem meine Mutter die Diagnose für ihre schwere Krebserkrankung erhielt, sagte ich zu ihr: „Mami, jetzt tust du nur noch das was dir gut tut. Überlege, welches sind die Dinge, die du noch tun möchtest.“ Sie meinte: „Also dazu bin ich zu jung. Über so was mag ich noch nicht nachdenken.“ Zwei Monate später sass ich an ihrem Sterbebett.

Ich hatte viel Zeit mich mit der Frage auseinanderzusetzen: „Was ist wirklich wichtig? Was sind die Dinge, die du in deinem Leben tun willst.“ Durch das Sonnenlicht und die Ruhe verfiel ich in ein Vor-mich-hin-dösen, in eine Trance. Und die einzige Eingebung, die kam war: „Werde Yoga-Lehererin.“

Ein Jahr nach dem meine Mutter gestorben war, begann ich meine Ausbildung. Körperlich unfit, ungewohnt träge und mit etlichen Wehwechen und schon ein paar Tage über 30.

Meine Ausbildnerin lernte ich Jahre vorher kennen. Ich wusste vom ersten Moment, wenn ich jemals diese Ausbildung machen, dann bei ihr. Und nun führte sie mich von Chakra zu Chakra, von Asana zu Asana und durch Meditationen. Diese Reise war ein Reinigung von allem – und sehr oft auch eine Qual. Ich durchlebte, durchlitt, brach auf, stockte, liess fliessen. Und jetzt zum Schluss ist Joy – Freude, Wonne, Glückseligkeit.

Glückseligkeit? Würkli?

Die Eingebung  diesen Weg zu gehen, hatte ich beim Sterben meiner Mutter. Ich verstehe nun, warum ich so bin wie ich bin. Ich fühle nun, was mich hindert und was ich Grosses gelernt habe. Ich empfinde unendliche Dankbarkeit und Liebe für meine Mutter. Ich habe für mich Wege gefunden und verstehe Zusammenhängen. Ich konnte so viele Erfahrungen mit meinem Körper, meinem Atem und meinen Gedanken machen.

Stolz!

Und das erste Mal bin ich wirklich stolz, dass ich diese Ausbildung durchgezogen und mich auf alle Tiefen eingelassen habe. Ich habe ja schon vieles gemeistert, aber das war ja „normal“. Leistung, die man und ich von mir erwartet hatte. Und ich konnte mich am Schluss auch nie so richtig wahnsinnig überschwenglich freuen.

Gestern Abend war das anders. Ich habe mich saumässig gefreut. Es tut mir gut zu erleben, dass es einfach gut ist. Es gab diesen Moment als ich aus dem Küchenfenster geschaut habe. Der Himmel bot gerade ein Schauspiel der besonderen Art. Dunkle Regenwolken und zwischendurch blaue Flecken, etwas orange und ein paar Sonnenstrahlen. Und ich wusste, dass meine Mutter saumässig stolz auf mich ist.

Und wenn du mich heute siehst, dann bin ich mindestens 5 Zentimeter grösser, vor Stolz. Und das ist gut.

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